Das schleichende Ende des Semestertickes

Ein Kommentar von Gabriel Tiedje

Gabriel Tiedje ist Hochschulpolitischer Referent im AStA TU Berlin und arbeitet seit mehreren Jahren zum Semesterticket. Er hat gemeinsam mit der LandesAStenKonferenz u.a. dafür gesorgt, dass das Land Berlin für das Sommersemester jedem Studierenden in Berlin 75 Euro Mobilitätszuschlag über die Semesterbeiträge bezahlt wurden.

Nachdem das Deutschlandticket angekündigt wurde gab es in allen Studierendenschaften in Deutschland eine große Frage die im Raum Stand: Was bedeutet das Deutschlandticket für die Semestertickets? Und 10.000ende Stunden zumeist ehrenamtlicher Arbeit wurden geleistet um die Vorteile des Deutschlandtickets auch für die Studierende Abzusichern. Nach mehr als einem Jahr gab es Ende November dann doch etwas überraschend die Meldung: Das Deutschlandticket als Semesterticket soll jetzt ab dem Frühjahr kommen.

 

Und wieder geht das große Rotieren in den Studierendenschaften los, denn ein fertiger und rechtssicherer Vertrag liegt zumindest in Berlin noch nicht vor. Auch wenn es so scheint, als würde dies ein „Ende gut, alles gut!“ bedeuten so ist doch das Gegenteil der Fall. Denn dieses deutschlandweite Semesterticket ist kein Entlastungsakt für die Studierenden. Die Verkehrsministerkonferenz hat einfach nur festgestellt, sollte es keine Semestertickets mehr geben, da die rechtliche Situation zu unsicher ist, würden die Verkehrsverbünde 60- 200 Millionen Euro weniger Einnahmen machen als mit einem Deutschlandticket als Semesterticket. Nun sollen die Verkehrsverbünde ein Deutschlandticket als Semesterticket schnell auf den Markt bringen, damit diese Einnahmen nicht flöten gehen und damit hat die Politik eigentlich schon ihre Haltung zu den Studierenden im allgemeinen und zum Semesterticket im besonderen ausreichend zur Schau gestellt.

 

In Berlin war das Semesterticket bisher gut 30 Euro billiger als ein Berlin AB Monatsticket im Jahresabo. Und auch wenn man sich um ein paar Euro mehr oder weniger um den Preis gestritten hat, die ungefähre Größenordnung was das Semesterticketmodell den Verkehrsverbunde an kosten gespart hat lag ungefähr in dem Rahmen von 30 Euro. Im Vergleich zum Umfang des Tickets Berlin ABC + Fahrrad sogar deutlich höher. Selbst im Vergleich zum freiverkäuflichen Auszubildendenticket ohne weitere Zuschüsse und Subventionen haben die Studierenden nur die hälfte gezahlt. Der Spareffekt im Vergleich zu einem freiverkäuflichen Ticket war enorm, die Pflicht das Ticket zu erwerben war verschmerzbar und die sozialen Auffangmechanismen im Solidarmodell konnten diejenigen Studierenden für die selbst diese Zahlung nicht mehr möglich war finanziell stützen.

 

Das Semesterticket hatte nicht nur große Einsparungen bei den Studierenden zur folge sondern auch eine Absicherung der Einnahmen bei den Verkehrsunternehmen. Die Studierenden hatten im Jahr 2021 pro Studi einen drei mal so hohen Beitrag zu dem Umsatz der BVG geleistet, als es der durchschnittliche Berliner getan hat. Kollektive Verantwortung hat sich ausgezahlt für alle Beteiligte. All das wurde durch den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz in Frage gestellt.

Nachdem Rechtsgutachten postuliert hatten, dass ein Semesterticket im Rahmen bis zu 60% des vergleichbaren Tickets in Ordnung sei wurden diese 60% festgeschrieben. 29,40 Euro, 60% des Deutschlandtickets. Es gibt keinen Verhandlungsspielraum mehr und das Damoklesschwert der Preiserhöhung des Deutschlandtickets wird den Preis in den nächsten Jahren nach oben treiben. Die Subventionen für das Deutschlandticket haben für alle die individuell ihr Ticket kaufen einen Spareffekt zwischen 20 und 50 Euro pro Monat. Je nachdem ob sie bisher nur ein AB Abo hatten oder ein ABC Abo. Dazu kommt im Umfang ganz Deutschland hinzu. Die Studierenden kriegen durch das Deutschlandsemesterticket einen Spareffekt von ganzen 3 Euro.

 

Wirtschaftliche Entlastung für alle außer die Studierenden. Mehr Verachtung kann man gegenüber der kollektiven Verantwortung die die Studierendenschaften eingegangen sind nicht äußern. Dennoch werden jetzt die Studierendenschaften die Verträge unterschreiben müssen – egal was drin steht, denn natürlich sind 29,40 Euro billiger als 49 Euro im Monat. Was verschwinden wird ist die Verhandlung. Wir hatten zwar schon in den letzten Jahren immer wieder öffentlich kritisiert, dass diese Verhandlungen nicht wirklich stattfänden, nun steht es festgeschrieben. Die Lektion daraus kann nur sein, kollektive Verantwortung wird nicht belohnt und honoriert, sondern bei der Verteilung von Subventionen vergessen. Ob dadurch die Rechtsunsicherheiten verschwinden werden steht ebenfalls in den Sternen aber eins ist klar: Das Semesterticket als Konzept wurde schon beerdigt. Der Preis ist fix und nur die Politik kann durch weitere Subventionen den Preis anpassen.

 

Anstatt die erfolgreichen Solidarmodelle an den Hochschulen in Deutschland als Weg zu wählen, wird für einzelne Tickets ganz viel Steuergeld ins System gepumpt. Die Studierenden sehen, obwohl ihre Modelle so erfolgreich waren, davon keinen Cent. Stattdessen werden sie nur als Stabilitätsstütze betrachtet. Apropos erfolgreiche Modelle, der Beschluss der Verkehrsministerkonferenz besagt ebenfalls, dass die bisherigen Semestertickets ab sofort nachrangig zu Verfügung gestellt werden sollen und das DeutschlandSemesterticket das primäre Modell sein soll. Vielerorts in Deutschland steigen damit die Kosten die von den Studierenden getragen werden müssen sogar.